PFAS-Verbote: Ausnahmeregelungen für F-Gase und Ersatzteile

Gemeinsame Stellungnahme der Organisationen
BIV (Bundesinnungsverband des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks) BTGA (Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung) Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik FGK (Fachverband Gebäude-Klima) Herstellerverband Raumlufttechnische Geräte VDKF (Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe) ZVKKW (Zentralverband Kälte Klima Wärmepumpen)

Bonn, Maintal, Ludwigsburg, August 2023 – Die genannten Organisationen vertreten die gesamte Wertschöpfungskette der deutschen Kälte- und Klimabranche – Handwerk, Anlagenbau, Hersteller und Bildung. Wir unterstützen die geplante Beschränkung umweltschädlicher PFAS-Chemikalien im Rahmen der europäischen REACH-Verordnung, wo immer es technisch möglich ist. Die Kälte-, Klima- und Wärmepumpenbranche verwendet PFAS-Chemikalien in vielfältigen Formen und Anwendungen – u.a. in Dichtungen, Konstruktions- und Beschichtungswerkstoffen, elektrotechnischen Komponenten sowie als fluorierte Kältemittel. Geeignete Alternativen mit den gleichen, zwingend erforderlichen Materialeigenschaften sind jedoch in vielen Fällen derzeit nicht verfügbar und auch nicht im Zeitrahmen der geplanten Verbotsfristen als marktreife Produkte entwickelbar, sofern dies überhaupt möglich ist. Das pauschale Verbot aller PFAS-Chemikalien, das derzeit von der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) geprüft wird, lehnen wir daher ab, sofern es losgelöst von einer Bewertung der tatsächlichen Umweltbelastung und der absehbaren Verfügbarkeit geeigneter Ersatzstoffe erfolgt. Der sichere Betrieb von Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen wäre ansonsten massiv gefährdet – mit den entsprechenden Auswirkungen für unsere gesamte Wirtschaft und Gesellschaft.

Unsere nachfolgend begründeten Kernforderungen lauten:
• Komplette Ausnahmeregelung für fluorierte Kältemittel
• Zeitlich unbegrenzte Ausnahmereglung für PFAS-haltige Kältemittel für Bestandsanlagen
• Zeitlich unbegrenzte Ausnahmereglung für PFAS-haltige Ersatzteile für Bestandsanlagen

Grundsätzlich stellen wir zudem die Rechtskonformität des PFAS-Verbotsvorhabens im Rahmen eines Komitologieverfahrens ohne die mögliche Einflussnahme durch EU-Parlament und -Rat in Frage.

Komplette Ausnahmeregelung für fluorierte Kältemittel

Bis auf fünf Ausnahmen zählen alle fluorierten Kältemittel zur Gruppe der PFAS-Chemikalien und sie wären daher vom PFAS-Verbot betroffen. Ihr Einsatz wird bereits wegen ihres Treibhauseffekts im Rahmen der europäischen F-Gase-Verordnung scharf reglementiert und kontinuierlich eingeschränkt. Die F-Gase selbst haben jedoch keinerlei gesundheitsschädigende oder toxische Eigenschaften und
werden daher zu Recht als Sicherheitskältemittel bezeichnet und sogar in medizinischen Dosiersprays als Treibmittel eingesetzt. Im Fokus des PFAS-Verbots in Bezug auf Kältemittel steht mit TFA (Trifluoressigsäure) das atmosphärische Abbauprodukt der F-Gase und nicht die F-Gase selbst. TFA reichert sich in Böden und Gewässern an und gilt als nicht abbaubar (persistent). Der 2022 erschienene UNEP Assessment Report (United Nations environment programme) belegt jedoch unter Berücksichtigung und nach Auswertung sämtlicher internationaler Studien aus den letzten vier Jahren, dass ein TFA-Verbot aufgrund seiner geringen Umweltgefährdung wissenschaftlich nicht vertretbar ist und empfiehlt eine Ausnahmeregelung für diese Chemikaliengruppe, der wir uns vollumfänglich anschließen.

Zitate aus dem UNEP-Report belegen dies deutlich:

  • „TFA interagiert nicht mit biologischen Molekülen und aufgrund seiner hohen Löslichkeit in Wasser findet keine Bioakkumulation statt. Es ist unwahrscheinlich, dass es schädliche Auswirkungen auf terrestrische und aquatische Organismen hat.“
  • „Wir sind der Meinung, dass die Persistenz nur als regulatorisches Kriterium für Stoffe in Betracht gezogen werden sollte, die mäßig oder hochtoxisch sind und/oder in Organismen bioakkumulativ sind. TFA reichert sich nicht an und ist auch bei den geringen bis mäßigen Expositionen, die derzeit in der Umwelt gemessen werden oder in ferner Zukunft prognostiziert werden, nicht toxisch.“
  • „Der Anstieg der TFA-Konzentrationen dürfte zum jetzigen Zeitpunkt keine nennenswerte Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Auf der Grundlage der prognostizierten zukünftigen Verwendung dieser Vorläufer (Kältemittel) von TFA ist kein Schaden zu erwarten.“
  • „TFA hat biologische Eigenschaften, die sich deutlich von den längerkettigen PFAS unterscheiden und die Aufnahme von TFA in diese größere Gruppe von Chemikalien, die reguliert werden sollen, wäre mit der Risikobewertung von TFA unvereinbar.“

Der UNEP-Report zeigt zudem auf, dass es natürliche Quellen für TFA gibt und dass die in der Umwelt gemessenen TFA-Konzentrationen nur zu einem geringen Teil den F-Gas-Emissionen anzulasten sind. Diese sind um ein Vielfaches höher, als dass sie allein durch F-Gase hätten entstanden sein können. Selbst wenn alle seit 1990 produzierten F-Gase komplett als TFA in die Umwelt gelangt wären, gibt es laut UNEP-Report zu den in den Ozeanen gemessenen TFA-Konzentrationen eine hohe Diskrepanz. Die theoretische Gesamtmenge an TFA, die aufgrund anthropogener Aktivität in Bezug auf die Verwendung der F-Gase erklärbar wäre, entspricht jedoch bei Weitem nicht der tatsächlichen Menge, die durch direkte F-Gas-Emissionen entstanden ist, da der Großteil der F-Gase in der EU nicht emittiert wird. Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen sind technisch dichte Systeme, worauf in der Praxis allergrößter Wert gelegt wird – zum einen aus Umweltschutzgründen und zum anderen, weil ungewollte F-Gase-Emissionen zur Reduzierung der Leistung und insbesondere auch der Effizienz führen. Daher werden regelmäßige Kontrollen zur Vermeidung von Emissionen durchgeführt. Bei Wartungs- und Servicearbeiten sowie bei der Außerbetriebnahme von Kälte- und Klimaanlagen werden F-Gase ordnungsgemäß entnommen und einer Wiederverwertung zugeführt. Die Leckagerate bei stationären Kälte- und Klimaanlagen ist äußerst gering, wie eine Auswertung der in Deutschland eingesetzten Branchen-Software „VDKF LEC“ zeigt. In der Software werden die Kältemittel-Daten von über 238.000 Anlagen bei über 54.000 Betreibern erfasst. Die durchschnittliche Leckagerate über alle Anwendungsbereiche hinweg betrug 2022 lediglich 1,12 %. Dieser Wert ist von 2017 bis 2022 kontinuierlich um 65 % gesunken. Die direkten F-Gas-Emissionen werden in den kommenden Jahren aufgrund des zunehmenden Einsatzes nicht-fluorierter Kältemittel zudem weiter sinken. Die EU-F-Gase-Verordnung, die derzeit novelliert wird, schränkt die Gesamtmenge und die Einsatzmöglichkeiten von F-Gasen zusätzlich weiter ein und erweitert die Beschränkungen und Anwendungsverbote um weitere F-Gase (HFO). Daher ist mit weiterhin kontinuierlich sinkenden PFAS- bzw. TFA-Expositionen durch fluorierte Kältemittel zu rechnen. Die Bewertung der Umweltbelastung durch TFA bzw. F-Gase muss daher durch die ECHA einer erneuten Prüfung unterzogen werden, die zu dem Schluss kommen sollte, dass für PFAS-haltige F-Gase eine komplette Ausnahmeregelung getroffen wird.

Zeitlich unbegrenzte Ausnahme für Service und Wartung mit F-Gasen

Unabhängig von einer kompletten Ausnahmeregelung der F-Gase vom PFAS-Verbot fordern wir eine zeitlich unbegrenzte Ausnahmeregelung für fluorierte Kältemittel für Service- und Wartungszwecke. In der EU sind Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen im zweistelligen Millionenbereich in Betrieb. Ihre Zahl wird in den kommenden Jahren bis zum möglichen Inkrafttreten des PFAS-Verbots durch den wachsenden Klimatisierungsbedarf und den geplanten Wärmepumpen-Ausbau deutlich steigen. Der überwiegende Anteil (min. 90 %) der Bestandsanlagen und auch ein Großteil der in den nächsten Jahren noch zu installierenden Neuanlagen verwendet F-Gase als Kältemittel. Die Lebensdauer der Anlagen beträgt durchschnittlich 20 Jahre; viele Anlagen sind aber auch deutlich länger in Betrieb. Derzeit ist im PFAS-Verbotsvorschlag nur eine zeitliche Ausnahmeregelung für Service und Wartung mit F-Gasen von Bestandsanlagen von 13,5 Jahren vorgesehen. Service und Wartung müssen jedoch für die gesamte Lebensdauer der Anlagen sichergestellt sein. Zum einen ist in fast allen Anwendungsfällen der sichere und kontinuierliche Betrieb von Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen zwingend erforderlich (Rechenzentrum, Krankenhaus, Blutbank, Supermarkt etc.). Es muss daher sichergestellt sein, dass eine umgehende Reparatur auch bei plötzlich auftretenden Kältemittelleckagen möglich ist. Zum anderen ist eine Umrüstung von Anlagen mit F-Gasen auf nicht-fluorierte Kältemittel nicht möglich. Die komplette Neuinstallation mit damit verbundenen hohen Investitionen wäre erforderlich. Dies betrifft alle Unternehmen, in denen Kälte- und Klimaanlagen zum Einsatz kommen, und auch Privatkunden, die Wärmepumpen mit F-Gasen eingebaut haben bzw. dies in den nächsten Jahren noch tun werden. Ein Austausch vor dem Ende der Lebensdauer der Anlagen stellt eine unzumutbare finanzielle Belastung für alle Betreiber dar. Vor allem bei systemkritischen Anwendungen muss eine Neuinstallation auch langfristig geplant werden und kann und darf im Falle einer Reparatur nicht kurzfristig erforderlich werden aufgrund der Nichtverfügbarkeit des Kältemittels. Bis zur Neuinstallation eine Kälte- oder Klimaanlage können je nach Anlagengröße Monate vergehen. In dieser Zeit wären die nachgelagerten und auf die Kälteanlagen zwingend angewiesenen Prozesse massiv betroffen, was Produktionsausfälle, Waren- und Lagerschäden,
Serverausfälle etc. zur Folge hätte. Infolgedessen wären viele Betreiber gezwungen, ihre Anlagen aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Kältemittel vorsorglich auszutauschen, da sie das Risiko, über einen längeren Zeitraum ohne Kühlung oder Klimatisierung auskommen zu müssen, nicht eingehen können. All diese Investitionen und Risiken stellen eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort dar.

Zeitlich unbegrenzte Ausnahme für Ersatzteile in Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen
Zahlreiche Komponenten in Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen sind PFAS-haltig – Dichtungen, Lager, Sensoren usw. Vor allem die eingesetzten Beschichtungen und Dichtungsmaterialien dienen dem Erhalt von Funktion, Austauschbarkeit und Wartungsfreundlichkeit und zur Vermeidung von umweltbelastenden Stoff-Freisetzungen. Ihre Materialeigenschaften sind speziell auf das in den Anlagen eingesetzte Kältemittel hin ausgerichtet. Ein Ersatz durch andere Materialien ist daher nicht möglich. Zulassungen würden ihre Gültigkeit verlieren und es entstünde eine Gefahr für die Umwelt sowie für Mitarbeiter der Betreiber und Fachkräfte, die mit Wartung und Service an den Anlagen betraut sind, wenn durch minderwertigere Dichtungen der Austritt von Kältemittel (brennbar/toxisch/treibhauswirksam) nicht mehr 100 % sicher vermieden werden kann. Ein einzelnes, durch das PFAS-Verbot nicht mehr am Markt verfügbares Bauteil (z.B. ein simpler Dichtungsring) hätte unter Umständen den Austausch einer kompletten Kälte-, Klima- oder Wärmepumpenanlage zur Folge. In diesem Zusammenhang gilt die gleiche Argumentation wie bei der oben geforderten Ausnahmeregelung für Kältemittel für Service und Wartung ausgeführt (unzumutbare finanzielle Belastung für Betreiber sowie Sicherstellung des unterbrechungsfreien Betriebs vor allem bei systemkritischen Anwendungen). Wir fordern daher eine zeitlich unbegrenzte Ausnahmeregelung für den Einsatz von PFAS-haltigen Ersatzteilen in Bestandsanlagen.

PFAS-Verbotsvorhaben nicht konform mit EU-Recht

Losgelöst von den aufgeführten technisch-inhaltlichen Argumenten ist aus unserer Sicht das PFAS-Verbotsvorhaben nicht konform mit EU-Recht. Die Beschränkung von PFAS gem. der REACH-Verordnung soll im Rahmen eines Komitologieverfahrens durch die EU-Kommission ohne mögliche Einflussnahme von EU-Parlament und -Rat erfolgen. Komitologieverfahren dienen grundsätzlich nicht-wesentlichen Anpassungen von Vorschriften. Zahlreiche Aspekte der PFAS-Beschränkung sprechen jedoch dagegen, dass es sich dabei um eine nicht-wesentliche Anpassung handelt. Der Umfang der durch diese Beschränkungsmaßnahme geregelten Stoffe sowie der geregelten Anwendungen ist beispiellos in der Historie der EU-Verordnungsvorhaben. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des PFAS-Verbots sind so immens, dass diese politisch verhandelt werden müssen, wofür in der EU im Wesentlichen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vorgesehen ist.

Für Rückfragen und weitere Erläuterungen stehen wir gerne zur Verfügung.

BIV, Bundesfachschule, VDKF, ZVKKW:
Christoph Brauneis, christoph.brauneis@vdkf.de, 0049 1520 2006037
BTGA, FGK, RLT-Herstellerverband:
Frank Ernst, ernst@btga.de, 0049 151 21289302